Innovationen im Bauwesen schneller in die Praxis bringen – das war das Ziel des Projekts PSIPRO, das vom Fraunhofer-Institut für Bauphysik IBP und der Hochschule Biberach durchgeführt wurde. Gefördert vom Ministerium für Wirtschaft, Arbeit und Tourismus Baden-Württemberg entstand ein Impulspapier, das konkrete Handlungsempfehlungen für Politik, Forschung und Praxis liefert.

Das Projekt ist eng mit dem Strategiedialog „Bezahlbares Wohnen und innovatives Bauen“ (SDB) verknüpft und fokussiert auf den Transfer skalierbarer Produkt- und Prozessinnovationen – ein Schlüsselthema angesichts von Fachkräftemangel, Baukostensteigerung, Klimazielen und Wohnungsnot.

Methodik: Innovationsradar und Transferlogik statt reiner Forschung

PSIPRO ist keine klassische Studie, sondern ein Transferprojekt mit einem klaren Anwendungsfokus. Es baut auf der Arbeitsgruppe 3.3 des Strategiedialogs auf („Hochskalieren innovativer Produkte, Prozesse und Technologien“) und verwendet ein mehrstufiges, dialogorientiertes Verfahren.

Zentrale Elemente:

  • Workshops mit Branchenakteur*innen aus Bauindustrie, Verwaltung, Forschung
  • Empathie-Interviews, Personas und Szenarien, um reale Hindernisse und Chancen zu erfassen
  • Nutzwertanalysen auf Basis von Kriterien wie CO₂-Einsparung, Skalierbarkeit, Kostenwirkung
  • Entwicklung eines Innovationsradars, das Innovationsansätze systematisch abbildet

Vier Handlungsfelder wurden vertiefend untersucht – mit folgenden Ergebnissen:

1. Nachhaltige Baustoffe: Beton und Stahl neu gedacht

Die Herstellung von Beton und Stahl verursacht weltweit einen erheblichen Anteil der CO₂-Emissionen. PSIPRO untersucht, wie nachhaltige Alternativen – z. B. zementfreie Geopolymere, rezyklierter Beton (RC-Beton) oder Carbonbeton – in die Breite gebracht werden können.

Auch die Stahlproduktion wandelt sich: Technologien wie die wasserstoffbasierte Hochofenroute oder Direktreduktion im Elektrolichtbogenofen ermöglichen eine drastische Reduktion der Emissionen.

Empfohlene Maßnahmen:

  • Förderprogramme für CO₂-reduzierte Materialien und deren Einsatz in Pilotprojekten
  • Rechtsrahmen wie das Gebäudetyp-E-Gesetz, das Spielräume für einfache und innovative Bauweisen schafft
  • Aufbau regionaler Netzwerke zur CO₂-Stoffstromlogistik
  • Etablierung eines Low Emission Steel Standards (LESS) für transparente Stahlkennzeichnung

Weitere Marktanalysen deuten auf ein relevantes Wachstumspotenzial für nachhaltige Baustoffe hin: Der globale Markt wurde 2024 auf rund 26,6 Milliarden USD geschätzt. Für den Zeitraum 2025 bis 2030 gehen Prognosen von einem durchschnittlichen jährlichen Wachstum von etwa 10,4 Prozent aus. Insbesondere dem europäischen Markt wird in diesem Zusammenhang ein vergleichsweise hohes Wachstumspotenzial zugesprocheN:

2. Modulares Bauen: Tempo, Qualität, Kostensicherheit

Modulares Bauen mit Raummodulen gilt als zentrale Lösung für den angespannten Wohnungsmarkt. Vorgefertigte, voll ausgestattete Module ermöglichen eine Bauzeitverkürzung von bis zu 50 Prozent, standardisierte Qualität und verlässliche Kosten.

Im Vergleich zur klassischen seriellen Vorfertigung geht der Modulbau einen Schritt weiter: Sanitär, Elektrik, Fassade – alles ist bereits enthalten. Die Potenziale für den Wohnungs- und Bildungsbau sind enorm.

Empfohlene Maßnahmen:

  • Einführung eines landesweit einheitlichen Modulraster-Standards (z. B. „BaWü-Raster“)
  • Entwicklung einer Modulbibliothek zur Wiederverwendung von Komponenten (Kreislaufwirtschaft)
  • Öffentliche Pilotprojekte mit kurzen Genehmigungsverfahren und positiver Öffentlichkeitsarbeit
  • Integration des Modulbaus in Hochschulausbildung und Planungswettbewerbe

Erfolgreiche Beispiele wie die modulare Schnellbauschule in Berlin zeigen, dass auch anspruchsvolle Gebäude in wenigen Monaten realisiert werden können.

3. Automatisierte Baustelle und Robotik: Effizienz trifft Präzision

Automatisierung gilt als Schlüssel zur Bewältigung des Fachkräftemangels, der laut Studien von 91 Prozent der Bauunternehmen als zentrales Risiko eingeschätzt wird. Roboter und KI können monotone, schwere oder gefährliche Tätigkeiten übernehmen – sowohl in der Vorfertigung als auch auf der Baustelle.

Anwendungsfelder reichen von 3D-Druck, Exoskeletten und KI-optimierten Betonmischungen bis hin zu digitalisierten Lieferketten und Produktpässen.

Empfohlene Maßnahmen:

  • Aufbau von regionalen Testfeldern (Innovationscampus Bau) zur Erprobung neuer Technologien
  • Standardisierung digitaler Schnittstellen für Automatisierungslösungen
  • Etablierung eines Systems für digitale Lieferscheine und Produktpässe
  • Förderung von Startups, u. a. durch unkomplizierten Zugang zu öffentlichen Ausschreibungen

Durch datenbasierte Prozessoptimierung und prädiktive Simulationen lassen sich Abläufe gezielter steuern – ein entscheidender Faktor für Qualität und Terminsicherheit.

4. Serielle Sanierung: Klimaschutz im Bestand

Um die Klimaziele zu erreichen, muss der Gebäudebestand effizient und kostengünstig saniert werden. Serielle Sanierung setzt auf vorgefertigte Fassaden- und Haustechnikmodule, die vor Ort in kurzer Zeit installiert werden.

Das Verfahren spart Bauzeit, verbessert die Ausführungsqualität und ermöglicht Sanierung im laufenden Betrieb – insbesondere bei öffentlichen Gebäuden ein großer Vorteil.

Empfohlene Maßnahmen:

  • Förderung externer TGA-Module und fassadenintegrierter Versorgungssysteme
  • Einführung einer Open-Source-Konstruktionsbibliothek für standardisierte Bauteile
  • Plattformen zum Austausch von Best Practices und Konstruktionen
  • Flexibilisierung von Bebauungsplänen zur Ermöglichung innovativer Sanierungsformen

Noch steht das serielle Sanieren am Anfang – mit gezielten Impulsen ließe sich die Sanierungsquote deutlich steigern.

Projektbericht PSIPRO

001_PSIPRO_Bericht_20250527_.pdf (1.3 MB)

Fazit: Strategischer Schulterschluss als Zukunftsmodell

PSIPRO zeigt: Innovationen sind vorhanden – doch ihr Transfer in die Praxis hängt von klaren Rahmenbedingungen, politischen Impulsen und koordinierten Netzwerken ab.

Der Strategiedialog „Bezahlbares Wohnen und innovatives Bauen“ bietet dafür eine tragfähige Plattform. Das Projektteam von Fraunhofer IBP und Hochschule Biberach hat mit PSIPRO einen konkreten Werkzeugkasten für die Bauwende in Baden-Württemberg entwickelt – anwendbar, skalierbar, wirksam.

Finanziert aus Landesmitteln, die der Landtag Baden-Württemberg beschlossen hat. Gefördert im Rahmen des Strategiedialogs „Bezahlbares Wohnen und innovatives Bauen“.