Am 22. September 2025 kamen Vertreterinnen und Vertreter aus Wissenschaft, Wirtschaft und Politik in Stuttgart zur siebten Sitzung der Themensäulenrunde III „Transformation und Digitalisierung der Bauwirtschaft“ des Strategiedialogs „Bezahlbares Wohnen und innovatives Bauen“ zusammen. Im Mittelpunkt stand die Frage, wie sich die Bauwirtschaft durch digitale Prozesse, innovative Technologien und eine zukunftsorientierte Fachkräftestrategie nachhaltig transformieren lässt.
„Unser Strategiedialog bringt Menschen zusammen, die sonst vielleicht nicht zusammen in einem Raum säßen – Handwerksbetriebe, Architekten, Bauunternehmen, Wissenschaft, Verwaltung. Und das ist entscheidend. Denn die Herausforderungen, vor denen wir stehen, können wir nicht isoliert lösen: Technologien wie Building Information Modeling sind schon heute Standard in der Ausbildung. Wir dürfen die vielen Fachkräfte nicht vergessen, die bereits im Berufsleben stehen und nachqualifiziert werden müssen. Wir brauchen nicht nur mehr Nachwuchs, sondern auch neue Formen der Ausbildung – interdisziplinär, praxisnah, mit einem Bewusstsein für Nachhaltigkeit. Kultureller Wandel ist gefragt – frühzeitige Zusammenarbeit, über Disziplin und Gewerke hinweg“, so Dr. Nicole Hoffmeister-Kraut, Ministerin für Wirtschaft, Arbeit und Tourismus, die die Sitzung leitete.
Die Arbeitsgruppen präsentierten ihre Ergebnisse und Handlungsempfehlungen, die zeigen: Der Wandel ist umfassend – und erfordert Koordination, Wissenstransfer sowie klare politische Weichenstellungen.
Digitale Plattform für Wissenstransfer
Die Arbeitsgruppe 3.1 („Wissenstransfer, Vernetzung und Austausch“) stellte ein Konzept für eine digitale Transferplattform vor, die Akteure aus der Bauwirtschaft stärker miteinander vernetzen soll. Ziel ist es, Anbieter, Projekte und Veranstaltungen zentral zu bündeln und damit das „Finden statt Suchen“ zu ermöglichen.
Kern des Projekts ist ein technologieoffenes Fachkonzept für eine Softwarelösung, die Daten über Bauunternehmen, Architekten, Ingenieure, Hochschulen oder Kommunen systematisch erfasst. Über Crawler-Technologien und KI-Integration – etwa durch Retrieval-Augmented Generation (RAG) – soll die Plattform Akteure automatisiert erkennen, katalogisieren und sichtbar machen.
Die geplante Oberfläche bietet verschiedene Darstellungsformen, etwa nach Region oder Projektart. Zudem soll ein Anbieter- und Projektkatalog entstehen, der neben Referenzprojekten auch Filterfunktionen nach Themen und Expertisen enthält. Das Konzept beinhaltet zudem eine Gegenüberstellung unterschiedlicher Betreibermodelle.
Erste Reaktionen aus den Gesprächen des Projektteams mit Vertretern und Vertreterinnen aus der Wirtschaft zeigen, dass die Erwartungen hoch sind: Gewünscht werden mehr übergreifende Initiativen und eine Steigerung der Vernetzungsaktivität.
Fachkräftesicherung durch neue Bildungsansätze
Ein zentrales Zukunftsthema ist die Fachkräftesicherung. Die Arbeitsgruppe 3.2 („Fachkräftesicherung, Aus-, Fort- und Weiterbildung“) legte Handlungsempfehlungen zum Thema „Berufsorientierung und Ausbildungsanforderungen“ vor, die Schulen, Hochschulen, Ministerien und die Bauwirtschaft gleichermaßen adressieren.
Empfohlen wird unter anderem die Einführung gebündelter regionaler Berufsmessen, um Jugendliche effizient mit Ausbildungsbetrieben zusammenzubringen. Ergänzend sollen praxisnahe Formate wie „Ausbildungsmeilen“ etabliert werden, bei denen Betriebe ihre Arbeit direkt vor Ort präsentieren.
Zudem wird ein zentrales, leicht zugängliches Online-Portal zur Berufsorientierung empfohlen, das bestehende Angebote gebündelt, zielgruppenorientiert und übersichtlich darstellt.
Auch die Curricula an Hochschulen werden in den Blick genommen: Studiengänge sollen baubezogenes Wissen künftig stärker auf Nachhaltigkeit, Kreislaufwirtschaft, Baurobotik und Digitalisierung ausrichten. Interdisziplinarität und Praxisnähe sollen durch fakultätsübergreifende Projekte und Kooperationen mit der Bauwirtschaft gestärkt werden.
Innovative Technologien im Bauwesen
Die Arbeitsgruppe 3.3 („Innovative Produkte, Prozesse und Technologien“) stellte Handlungsempfehlungen in vier Schlüsselbereichen vor: innovative Baustoffe, modulares Bauen, Baurobotik und serielles Sanieren.
- Innovative Baustoffe: Klimafreundliche Materialien sollen über öffentliche Auftragsvergabe gezielt gefördert und rechtlich abgesichert werden. Recycling im Bauwesen spielt dabei eine zentrale Rolle.
- Modulares Bauen: Ein einheitliches Verständnis und ein positives Image sollen die Verbreitung vorantreiben. Vereinfachte Vergabeprozesse könnten die Umsetzung beschleunigen.
- Baurobotik: Empfohlen wird die Einrichtung eines Innovationsforums und Experimentierfelds, um robotische Systeme im Bauprozess zu erproben und standardisierte Schnittstellen zu etablieren.
- Serielles Sanieren: Wissensdatenbanken, Praxisbeispiele und Vernetzung sollen helfen, Sanierungen effizienter und kostengünstiger zu gestalten.
Neue Themenfelder wie Lean Construction, Infrastruktur auf Baustellen (z. B. Smart Grids) sowie Digitalisierung sollen die Agenda künftig ergänzen.
Pilotprojekt: Laserscanning für Sanierungen
Ein konkretes Beispiel für technologische Innovation ist das Projekt LaSanGe (Laserscanning für die beschleunigte Sanierung von Gebäuden), vorgestellt vom Fraunhofer-Institut für Physikalische Messtechnik (IPM).
Angesichts von über 20 Millionen Gebäuden in Deutschland und dem Ziel der Klimaneutralität bis 2045 ist die Sanierungsquote entscheidend. Mit multispektralen LiDAR-Systemen, die auf mobilen Mapping-Fahrzeugen installiert sind, lassen sich Gebäudefassaden detailliert erfassen.
Die Technologie ermöglicht die automatisierte Detektion und Charakterisierung von Fenstern. Damit entsteht die Grundlage für eine Sanierungskarte, die Kommunen und Bauherren fundierte Entscheidungen erleichtert.
Ausblick
Die vorgestellten Maßnahmen verdeutlichen: Digitalisierung, Fachkräftesicherung und innovative Technologien sind keine Einzelthemen, sondern eng miteinander verwoben. Wissenstransfer, Ausbildung und technische Neuerungen müssen zusammengedacht werden, wenn die Bauwirtschaft ihre Rolle bei der Bewältigung von Klimakrise und Wohnraummangel erfüllen soll.
Die nächsten Schritte sind bereits terminiert: Am 7. November 2025 findet die Jahresveranstaltung des Strategiedialogs in Stuttgart statt, im Februar 2026 folgt die nächste Sitzung der Themensäulenrunde.