Im Jahr 2021 wurden in Baden-Württemberg über 36.000 Neubauwohnungen realisiert und 20,2 Mrd. Euro umgesetzt. Aktuelle Krisen (Ukraine-Krieg, Lieferengpässe bei Baumaterialien, gesteigerte Energie- und Baumaterialkosten) verlangsamen den Wohnungsbau. Dem gegenüber steht eine erhöhte Nachfrage nach privatem und sozialem Wohnraum.

Der Fachkräftemangel ist eine Herausforderung, die alle Industrien eint. 2018 waren rund 70.000 Stellen unbesetzt. Mit dem demografischen Wandel wird in Zukunft auch in der Bauwirtschaft mehr Arbeit auf weniger Schultern verteilt.

Ein Lösungsansatz für diese Herausforderung kann sein, innovative Produkte, Prozesse und Technologien zu identifizieren und hochzuskalieren.

Die Bauwirtschaft unterscheidet sich von anderen Industrien darin, dass die einzelnen Bauelemente und das gesamte Gebäude selten seriell oder auf Lager produziert werden. Die Standorte zwischen den einzelnen Elementen liegen oft weit auseinander, so dass zu der Einzelplanung und der Einzelfertigung ggfs. noch ein langer Lieferweg gesellt. Das führt insgesamt zu einer kleinteiligen, regional geprägten Wertschöpfungskette. Die ausführende Industrie und Handwerksbetriebe, die Planer / innen, Zulieferer von Werkzeugen, Maschinen, Baumaterialien und Baustoffen, tragen zu der Segmentierung der Wertschöpfungskette bei.

Die Bauwirtschaft ist im Wandel und die Rufe nach der Hochskalierung von innovativen Produkten, Prozessen und Technologien werden immer lauter. 

Wie kann eine Arbeitsgruppe im Strategiedialog Bau den Wandel der Bauwirtschaft unterstützen?

Innovative Produkte, Technologien, aber auch die Kenntnis effizienter Prozesse und Abläufe ist vielfach vorhanden. Innovationen, insbesondere aus dem Digitalisierungsbereich, haben das Potenzial, Planungs- und Bauprozesse ressourcenschonend entlang der Dimensionen Zeit, Kosten und Material zu gestalten und damit auf die Ziele Bezahlbarkeit und Nachhaltigkeit einzuzahlen.  Doch Innovationen halten oftmals keinen Einzug in die Baupraxis. Die agile Arbeitsgruppe 3.3. „Innovative Produkte, Prozesse und Technologien – Hochskalieren: Vom Piloten in die Fläche“ wird die Ursachen für den Innovationsstau nacheinander identifizieren und Lösungsansätze entwickeln, wie Innovationen in die Fläche gelangen können.

Es besteht Einigkeit darin, dass es eine systematische und agile Herangehensweise braucht, um schnell zu skalieren – Handlungsfelder und Prototypen zu identifizieren – zu validieren – zu lernen und kommunizieren – so schnell es geht. Der Vorschlag ist, dies entlang der Wertschöpfungskette oder des Wertschöpfungszyklus aufzuziehen.

Workshop Arbeitsgruppe 3.3.

Um dieser ambitionierten Aufgabe gerecht zu werden, braucht es unterschiedliche Herangehensweisen und Verständnis für andere Perspektiven. Denn jeder der Akteure der Arbeitsgruppe 3.3. bringt eine eigene Erfahrung und Wissen mit und es droht sonst die Gefahr, ausschließlich vom eigenen Standpunkt aus Innovation zu schaffen.  Besser ist es, all die Erfahrungen und das Wissen gemeinsam verfügbar zu machen und so schnell zu ersten Prototypen zu kommen. Deshalb traf sich die Arbeitsgruppe Ende Februar zu einem gangtägigen Design-Thinking-Workshop.

Perspektivwechsel als Innovations-Starter

Um echte Innovation zu schaffen und diese hochzuskalieren, sei es in Produkten, Prozessen und Technologien, müssen alte Pfade verlassen werden. Es lohnt sich, vertraute Perspektiven nicht nur zu hinterfragen, sondern auch Standpunkte zu wechseln und zu verlassen. Dafür bieten sich insbesondere bei agilen Arbeitsgruppen die Methoden des Design Thinking an. So wurden bei der Sitzung der Arbeitsgruppe 3.3. „Hochskalieren: innovative Produkte, Prozesse und Technologien“ verschiedene Methoden angewandt. Die Arbeitsgruppe teilte sich in u.a. in verschiedene Gruppen auf, in denen die Teilnehmer: innen in bestimmte Rollen schlüpften.  In der Gruppenarbeit wurden die Belange und Interesse der dargestellten Akteure nicht nur verstanden, sondern allen Teilnehmer:innen präsentiert. Dadurch wurde Verständnis für die Komplexität der Aufgabe geschaffen und die Bedürfnisse aller Beteiligten konnten besser nachvollzogen werden.

Workshop Arbeitsgruppe 3.3.

An die Arbeit!

Um die vertrauten Pfade zu verlassen, teilten sich alle Teilnehmer: innen der Arbeitsgruppe 3.3. in verschiedene Arbeitsgruppen auf.

Gruppe 1

Diese Arbeitsgruppe versetzte sich in einen Messebesuch 2025 auf dem Bautechniktag, bei dem in verschiedene Rollen über bisherige Ergebnisse des SDB BW berichtet wird.

Zu den Arbeitsergebnissen gehörte der Vorschlag, dass Prozesse digitalisiert modelliert werden sollten. Um der Ressourcenknappheit bei den Baustoffen abzumildern, sollte vermehrt auf Beton-Kalkmischungen zurückgegriffen werden. Eine große Herausforderungen sahen die Teilnehmer: innen darin, die Verschwendung von Material und Zeit zu minimieren. Digitalisierung kann nicht für jede Herausforderung lösen, unter dem Aspekt des Fachkräftemangels gibt sie aber eine höhere Planungssicherheit- und Planungsgeschwindigkeit.

Guppe 2

In der Gruppe zwei wurde davon ausgegangen, dass sich 2024 Vertreter von NRW mit Vertretern des SDB BW treffen und diese befragen, um von den bisherigen Erfahrungen aus Baden-Württemberg zu profitieren.

Die Kollegen aus dem SDB BW erzählten, dass ein interdisziplinärer Austausch zwischen Politik, Unternehmen und Wirtschaft essenziell ist, um den SDB erfolgreich und innovativ zu halten. Ein kreatives Format ist die aktive Mitgestaltung des SDB BW durch seine Akteure.

Gruppe 3

Die Gruppe spielte ein Treffen von Vertretern der Handwerksbetriebe und KMUs aus der Baubranche nach, die heute auf die Organisatoren und Macher des Strategiedialogs zugehen mit kritischen Anmerkungen im Sinne „so geht das nicht, das hilft uns nicht.“

In dieser Gruppenarbeit sind sich alle Akteure sehr schnell darüber bewusst geworden, dass es in den Öffentlichkeiten des SDB Zweifel an den eigentlichen Ergebnissen geben könnte. Es braucht also einen schnellen Mehrwert für die gesamte Baubranche, Innovationen dürfen weder verkompliziert noch durch langwierige Prozesse blockiert werden. Außerdem ist zu bedenken, dass gerade die Hochskalierung der innovativen Produkte, Prozesse und Technologien dazu führen kann, dass die Planung zwar vorgegeben, der Aufwand aber bei der privaten Wirtschaft liegt. Eine wichtige Erkenntnis dieser Gruppe war, dass die Anwender sich mit ihren Sorgen und Nöten verstanden fühlen müssen, sonst wird die beste Innovation nicht angenommen und umgesetzt.

Die Teilnehmer: innen kamen zu dem Ergebnis,  dass die bestehenden Regeln und Normen hinterfragt werden sollten. Ein vorgestellte Beispiel war der Fall, dass die performative Bewertung von Gebäuden keinen Unterschied zu  machen scheint bei Brandschutz von denkmalgeschützten Gebäuden und dem Denkmalschutz von neuen Gebäuden. Der gesamte Genehmigungsprozess im Bauverfahren sollte nicht nur beschleunigt werden, die Behörden sollten auch an einem früheren Zeitpunkt in der Planung an Bord geholt werden.

Gruppe 4

Die Gruppe ein Treffen von Vertretern aus dem Bereich der Projektentwickler und Immobilienbetreiber nach, die Vertretern des Wirtschaftsministeriums bzgl. des Strategiedialogesden akuten Handlungsbedarf mit konkreten Wünschen darlegen. 

Workshop Arbeitsgruppe 3.3.

Fazit: Was hat der Workshop gebracht und wie geht es weiter?

Nach der Vorstellung der Ergebnisse aus allen Gruppenarbeiten wurden durch die Teilnehmer: innen die Erkenntnisse in Cluster sortiert. In der großen Runde wurden die gefundenen Cluster diskutiert, Doppelungen entfernt und in mehreren Iterationsschleifen geschärft.

Am Ende konnten sich die Teilnehmer:innen auf vier größere Themen einigen, die in Zukunft in der Arbeitsgruppe 3.3. bearbeitet werden. Den Themen sind bereits zahlreiche Ansätze zugeordnet, die das Wissen der Arbeitsgruppenmitglieder widerspiegelt.

        Im nächsten Schritt sollen in den Arbeitsgruppen „Prototypen“ gebaut werden, wie vorhandene Technologie hochskaliert werden kann, d.h.: Welche Maßnahmen sind erforderlich – wie sieht die Zeitschiene aus. Diese Prototypen werden in der Gesamtgruppe diskutiert und validiert und können dann der Umsetzung, also der projektnahem testen der Prototypen zugeführt werden. So können erarbeitete Erkenntnisse schnell transferiert werden, damit das Wissen über die innovativen Produkte, Prozesse und Technologien verbunden mit Praxisbeispielen in der Praxis ankommt.

        (Quellen: https://bauwirtschaft-bw.de/ und „Innovative Technologien, Prozesse und Produktein der Bauwirtschaft“ Endbericht zum TA-Projekt von Christoph Kehl Matthias Achternbosch Christoph Revermann).